Niger - Nur wenige Menschen machen sich über die Folgen der Coronakrise in armen Ländern Gedanken.

Die Konsequenzen sind häufig noch gravierender und vor allem unmittelbar lebensbedrohlicher als bei uns. Ich möchte hier das Beispiel Niger vorstellen, eins der ärmsten Länder der Welt direkt südlich der Sahara. Das Land hat ca. 24 Mio. Einwohner, und gemäß John Hopkins University hat Niger am 18.5.20 insgesamt 889 COVID-19 Infizierte und 51 Todesfälle mit Corona.

So hat die nationale Einrichtung des Nigers zur Katastrophenvorsorge und Ernährungssicherung eine Einschätzung der Auswirkungen von COVID-19 und der Maßnahmen auf die Ernährungssicherheit der Menschen erstellt.

Kurz zusammengefasst die wesentlichen Aussagen der 23-seitigen Studie (auf Französisch) , was Corona für die Menschen eines so armen Landes bedeutet:

Grundlage der Studie ist eine Analyse der Ernährungssituation des Landes im Februar (vor Corona). Diese prognostizierte 1,6 Mio. Menschen für April - Mai und von 2 Mio. Menschen in Juni bis August mit akuter Bedrohung ihrer Ernährungssicherheit. Aufgrund dieser Zahlen werden die staatlichen von internationaler Hilfe unterstützen Hilfsmaßnahmen zur Sicherung des Überlebens dieser Risikogruppen geplant. Juni-August ist die kritische Phase für die Ernährungslage der Bevölkerung, da es die landwirtschaftliche Anbausaison ist, für die man viel Energie für die Feldarbeit benötigt wird, und es noch nichts zu ernten gibt, so dass man von den Reserven der letzten Ernte leben muss.

Die Studie nimmt die Daten vom Februar und macht Vorhersagen aufgrund von Marktbeobachtungen unter den Coronamaßnahmen. Sie schätzt die Einkommenseinbußen in unterschiedlichen Bereichen, und errechnet daraus die Zahl Unterstützungsbedürftigen, die zum Überleben auf Nahrungsmittelhilfe angewiesen sind.

Die Coronamaßnahmen wie Ausgangssperre und Unterbindung der Bewegung auf den großen Verkehrsachsen, insbesondere zwischen der Hauptstadt und dem Rest des Landes betrifft vor allem den informellen Sektor, d.h. informelle Kleinstbetriebe, die aber das Herz des Wirtschaftswesen darstellen. Es betrifft die Armen der Städte auf di Menschen auf dem Land (70% der Bevölkerung). Die prognostizierten Folgen sind Einkommenseinbußen vor allem diejenigen, die in der Nacht tätig waren (nächtliche Ausgangssperre) (-70%), der Gemüsebaubetriebe, die ihre Produkte nicht in die Stadt liefern können (-20%), der Viehhalter (-40%), die armen Haushalte, die auf Überweisungen der Migranten, die in ihren Aufnahmeländern ja auch nicht mehr arbeiten können, angewiesen sind (-50%), Preissteigerungen für Lebensmittel v.a. in den Städten (+30%), Preissteigerungen für landwirtschaftlich Betriebsmittel (+20%)... die auch nicht durch andere Einsparungen (z.B. für soziale Zeremonien) kompensiert werden...

Durch Corona erhöht sich die Zahl der unmittelbar in ihrer Existenz bedrohten Menschen um 2,6 Mio. Menschen auf 4,2 Mio. für April-Mai und um 3,6 Mio. für Juni-August auf 5,6 Mio oder 23% der Bevölkerung. Zusätzlich verschlechtert sich noch die Lage der sich eh schon in einer prekären Situation befindlichen Risikogruppen. Insgesamt sind so 2,7 Mio. Menschen unmittelbar vom Hunger bedroht, weitere 2,9 Mio. benötigen dringende Hilfen, um nicht in diese Kategorie reinzurutschen.

Neben der akuten Bedrohung wird mit erheblichen Auswirkungen auf die nächste Landwirtschaftssaison gerechnet, dadurch dass viele saisonale Arbeitskräfte (vor allem junge Familienmitglieder, die zur Saisonarbeit in die Küstenländer migriert sind und normalerweise für die Landwirtschaftssaison zurückkommen - aber auch landwirtschaftliche Saisonarbeiter aus Nachbarländern) durch Reisebeschränkungen nicht für die Landwirtschaftssaison 20/21 rechtzeitig zur Verfügung stehen (-40%). Dadurch ist jetzt schon mit einer um 20% geringeren landwirtschaftlichen Produktion in der bevorstehenden Saison zu rechnen. Ebenfalls werden erhebliche Folgen aufgrund nicht erfolgter Geburtsvorsorge und -nachsorge unter den Coronamaßnahmen erwartet. Die Studie erstellt Fakten basierte Prognosen zur Ableitung von Hilfsmaßnahmen für die bedrohten Menschen und bewertet nicht die Maßnahmen.